Statements – Einzelwerke/Opera

BUTRINT – Schätze der Welt
R.F: „Die Hauptaufgabe bestand für mich u.a. darin den Einfluss der unterschiedlichen Kulturen auch in musikalischer Hinsicht zu verdeutlichen. So entschloss ich mich, sozusagen eine Musik der Griechen (CD Filmmusik Rainer Fabich, Track 28-30, 33) Römer (T. 32, 36) Albaner (27, 37) und Osmanen (T. 37) zu schreiben.

Dabei ging es mir jedoch nicht um Stilkopien. Ich beschränkte mich nach intensiven Recherchen hauptsächlich auf einzelne, typische Elemente, um nicht den großen, musikalischen Bogen der nahezu durchkomponierten Filmmusik zu zerstören. So stehen z.B. Saiteninstrumente wie Harfe und Leier für die Welt der Griechen, archaische Blechbläserklänge für die Römer, und Doppelrohrbläser mit Perkussion für die Osmanen.“

KINDHEIT IM GULAG
R.F.: „Annas liedhaftes und melancholisches Leitmotiv durchzieht in verschiedensten Instrumentierungen den gesamten Film (CD Filmmusik Rainer Fabich, Track 39, 42, 47, 49). In den dramatischen Szenen des Films griff ich orchestrale Ostinatofiguren als wichtiges musikalisches Stilmittel auf. Diese sind typisch für die sowjetische Musik der 40er Jahre (Schostakowitsch und Prokofjew) und stellen somit inhaltlich Bezüge zur damaligen Zeit her. Annas innere, starke emotionale Vorgänge werden vom Orchester deutlich unterstützt bzw. es wird ihnen eine zusätzliche Dimension verliehen (T.40, 41,47).“

MENTAWAI
Die Musik zu Mentawai entstand nach intensiven Recherchen, auch vor Ort, von Rainer Fabich und Christian Doermer. Rainer Fabich entwickelte eine musikalische Konzeption, die darin bestand, Elemente der mentawai- ischen Kultur zu integrieren, unter Berücksichtigung der dramaturgischen Vorga- ben des Films (Chri- stianisierung durch einen Missionar):

R.F.: „So findet der Zusammenprall völlig verschiedener Kulturkreise seinen musikalischen Ausdruck in der Gegenüberstellung zweier musikalischer Welten: die der Einheimischen (mentawaiische Lieder/ Schamanengesänge) und die des Missionars (Bach-Choräle). Diese werden -in Anlehnung an die Stummfilmpraxis- in Form von Zitaten in den musikalischen Kontext eingearbeitet, wie z.B. in der Titelmusik. Das Prinzip wiederholt sich auch in klanglicher Hinsicht: Instrumente der Mentaweis, wie Schlitz- trommeln (tudukkat), gajeumak-Trommeln, Klanghölzer (tudducan) , Xylophon (tudduglag) Bambusflöten (popoet, pipiau) , Bambusinternodien kontrapunktieren mit den verwendeten Symbolen westlicher Musik: Blechbläser und Streicher.“

MEMOIREN EINER FRUSTRIERTEN HEDONISTIN
R.F.: „Aus dramaturgisch inhaltlichen Gründen beschränkte ich mich in musikalischer Hinsicht diesmal nur auf ein einziges Instrument, das Klavier. Es steht stellvertretend für Ladas innere Welt und er- klingt vor allem in den Momenten, in denen die äußere, filmische Realität verlassen wird. So z.B. als sie sich beim Betrachten von Frauenportraits der Renaissance in die dargestellten Personen versetzt. Hier setzt eine Musik mit fließendem Charakter ein (CD Filmmusik Rainer Fabich, Track 23) und verdeutlicht den Wechsel der Wahr- nehmungsebene. Oder zu Beginn, als der venezianische Tod erscheint (T. 22), der sie schließlich am Ende des Films abholt (T. 26).“

SCHÄTZE DER WELT – Ohrid
R.F.: „Vor der Komposition der Musik zu diesem Film beschäftigte ich mich intensiv mit byzantinischer Kirchenmusik. Dabei flossen typische Elemente griechisch- und slawisch-orthodoxer Liturgiegesänge mit in die Komposition ein. Dies zeigt sich etwa in der Melodieführung oder in der Verwendung von Männerchören. Die dramatischen und orchestralen Momente der Filmmusik nehmen Bezug auf konkrete Vorgänge und Ereignisse (Entstehung des Ohrid-Sees, Marsch der Römer, Kämpfe in der Arena, byzantinischer Bilderstreit, Bilderschändung) und erwecken die stummen Zeugen der Vergangenheit musikalisch wieder zum Leben.“ Als Kontrast hierzu symbolisieren helle und klare Töne (Frauenchöre) die Welt der Frühchristen (Mosaike).

SÜDDEUTSCHE FREIHEIT – Kunst der Revolution
R.F.: „Den Geist der Revolution von damals nachzuspüren viel mir bei der Konzeption der Filmmusik nicht schwer. Hatte ich mich doch die Jahre zuvor in meiner Dissertation „Musik für den Stummfilm“ eingehend mit sowjetischen Revolutionsfilmen und deren Musik der 20er Jahre (“Panzerkreuzer Potemkin“ und „Das Neue Babylon“) beschäftigt. Aus diesem Grund habe ich über einem schnellen, aggressiven Streicherostinato verfremdete Fragmente von Revolutionsliedern mit in die Partitur eingearbeitet (CD Filmmusik Rainer Fabich, Track 50-52), eine Technik die damals wiederholt angewendet wurde. Der Mittelsatz (T. 51) hingegen ist eine ruhig getragene Trauermusik zu Eisners Begräbnis.“

BILDERBUCH DEUTSCHLAND – Völklingen an der Warndt
R.F.: „Bei diesem Film ging es vor allem um die Themenbereiche Mensch-Natur-Technik. Aus diesem Grunde bildeten Originaltöne ein wichtiges Ausgangsmaterial, besonders für die Szenen über das Stahlwerk Völklinger Hütte (TCD Filmmusik Rainer Fabich, Track 9, 11, 17,19). So montierte ich Maschinen- und Arbeitsgeräusche mit Hilfe digitaler Sampling-Technologie aneinander und musikalisierte sie, z.B durch Rhythmisierung und Verfremdung (Loops). Ein weiteres wichtiges Element der Filmmusik sind orchestrale Klänge, vor allem bei den Naturbilden (T.9, 14, 16). Das elegische Thema des Sopransaxophons, Leitmotiv der Indu- strieruine (T.10,12,18), kündet von vergangenen Zeiten.“

VOID – zur Klanginstallation
R.F.: „Ausgehend vom Void-Konzept einen architektonischen Leer-Raum mit Klang zu füllen, ging es bei der akustischen Realisation zuerst darum, die räumlichen Gegebenheiten (massive Wände, schmales Treppenhaus mit daran anschließenden Räumen) zu erkunden und deren Auswirkung auf akustische Ereignisse zu untersuchen. Bereits nach den ersten Tonexperimenten vor Ort reifte der Entschluß, die besonderen Klang-charakteristika des Bunkers (langer Raumhall, tiefes, dumpfes Mitschwingen der vielen kleinen Räume in den verschiedenen Stockwerken) bewußt in die Klangcollage aus Musik, Sprache und Geräusch zu integrie-ren.

Der Bunker selbst soll zum Klingen gebracht werden, etwa vergleichbar mit der Klangsäule in einem riesigem Musikinstrument. Eine akustische Komposition speziell für diesen Raum sollte geschaffen werden, im Sinne einer Ars Acustica. Die räumlichen Gegebenheiten dieser Klanginstallation mit seiner Möglichkeit die Schallquellen im gesamt-en Raum zu verteilen, ergeben für den Besucher/Hörer die interessante Möglichkeiten, das akustische Sze-nario selbst mitzugestalten.

Anders als etwa bei einem Konzert oder einem Film, bei dem der zeitliche Ablauf vorgeben ist, kann der Besucher durch die Wahl seines Standortes, die Verweildauer in den einzelnen Ebenen, die Geschwindigkeit mit der er das Treppenhaus durchläuft, seine eigene Hörperspektive mit jedem Schritt für sich selbst ändern.
Akustische Assoziationen wie nah und fern, eng und weit, links und rechts, oben und unten werden erfahrbar gemacht, bzw. sie sind „ergehbar“.

Die Grundthematik der verwendeten Lesego- und Nietzschetexte (Gefangensein, Enge) spiegelt sich nicht nur in der räumlichen Situation, sondern auch in der klanglichen Gestaltung der einzelnen Ebe- nen.
Ein von den Schauspielerinnen Angelika Bender, Franziska Walser, Rena Zednikova und dem afrika- nischen Rapper Lesego Rampolokeng gesprochener repetitiver Text, der in immer neuen Figuratio- nen seine Worte und Lautgebilde wiederholt, mischt sich mit musikalischen Elementen und Klängen, die z.T. im Bunker selbst aufgenommen wurden und mit den Mitteln digitaler Tontechnik bearbeitet wurden.

Die verschiedenen Klangebenen der einzelnen Stockwerke wiederholen sich in Abständen von unterschiedlicher zeitlicher Länge, so daß sich aufgrund voneinander abweichender Ablaufzeiten permanent neue Klangkonstellationen ergeben. Dieses bewußt nach dem Zufallsprinzip intendierte ständige Verschieben generiert in jedem Moment neue Klangereignisse, vergleichbar etwa mit dem Bild rotierender, verschieden großer Kreise oder Planeten-systeme.

Diese Klangebenen sind jedoch von ihrer akustischen Struktur so offen angelegt, daß sie durch Verflechtungen innerhalb des gemeinsamen Ausgangmaterials miteinander in Beziehung stehen und zu einem klanglichen Ganzen verschmelzen. In diese, mit einem Hörturm vergleichbare Klangsäule dringen von außerhalb des Bunkers stammende, reale Großstadtgeräusche (Straßenverkehr, Autos, Hupen etc.) ein. Sie werden durch die massive Bauweise des Gebäudes gedämmt und verfremdet. Sie sind ebenso wie die Geräusche, die durch den Zuschauer selbst zufällig erzeugt werden (Schritte im Treppenhaus, Flüstern, Sprechen der Austellungsbesucher etc.), integrativer Bestandteil dieses Klangkonzeptes.“

Rainer Fabich (März 2000)